Magnus Carlsen erlebte auch an Tag 2 der Schnellschach-WM schwere Momente, als er gegen Alexander Zubov verlor und gegen Hrant Melkumyan auf Verlust stand. Am Ende standen aber dennoch 4 aus 5 Punkte zu Buche und mit einem halben Punkt Rückstand auf die Führenden ist für den Weltmeister noch alles drin. Fünf Russen und zwei Chinesen liegen derzeit an der Spitze, wobei vor allem Vladislav Artemiev und Maxim Matlakov mit jeweils 4,5 aus 5 beeindruckten. Bei den Damen ist die Lage deutlich übersichtlicher, denn Ju Wenjun liegt weiter allein in Führung vor Mariya Muzychuk, die einen halben Punkt zurückliegt.
Alle Partien der Schnellschach-WM in St. Petersburg könnt ihr hier mit Computeranalyse nachspielen:
Und hier die Bilder von der siebenstündigen Live-Übertragung mit Peter Leko und Evgeny Miroshnichenko:
Natürlich gäbe es viele Möglichkeiten die über 500 Partien, die bei der Schnellschach-WM an Tag 2 gespielt wurden, zusammenzufassen, doch liegt es nahe, sich den Turnierverlauf aus der Sicht von Weltmeister Magnus Carlsen anzuschauen. Die Qualität seines Spiels und seine Punktzahl rechtfertigen zwar nicht, dass er wegen der Übertragung des norwegischen Fernsehens immer an Brett 1 sitzt …
„Es zeugt von einem wirklich großartigen Spieler, wenn er (seinen hohen Ansprüchen gemäß) totalen Mist spielt und fünf Runden vor Schluss trotzdem nur einen halben Punkt zurückliegt.“
… doch kann man den Blick nur schwer von seinen Partien abwenden. Wie Ivan Saric aus der Gruppe der Spieler mit sieben Punkten hat er bisher kein einziges Remis auf seinem Konto:
Schauen wir uns das Geschehen also Runde für Runde an und beginnen jeweils mit der Partie des Weltmeisters:
Nach dem schwierigen Auftakt an Tag 1 schien es zunächst, als ob Magnus Carlsen an Tag 2 in guter Form wäre, denn er legte gegen den Spanier Ivan Salgado einen überzeugenden Start hin. Der Zug der Partie kam nach 26…gxf5:
Magnus hat mit seinen beiden Türmen die beiden offenen Linien besetzt, doch sein Läufer auf g2 ist hinter dem eigenen Bauern eingesperrt und wenn Schwarz zu Le5-d6 kommt, hat er alles unter Kontrolle. Doch dazu kam Salgado nicht mehr, weil der Weltmeister ohne Zögern 27.d6!! spielte:
Der Läufer und die Türme waren zu viel für den Spanier, der sechs Züge später aufgeben musste:
“Carlsen: "Heute legte ich einen guten Start hin, nachdem ich gestern mehr oder weniger zufällige Züge machte. Zumindest erinnerte es mich an richtiges Schach. Ich war ruhig, holte nicht viel aus der Stellung heraus, bekam aber plötzlich ein vorteilhaftes Endspiel. Dabei übersah er d6…“
Derweil übernahm mit Dmitry Andreikin erstmals ein Spieler die alleinige Führung, der Russe bezwang den jungen Iraner Alireza Firouzja mit den schwarzen Steinen. Andreikin scheute die gegnerischen Verwicklungen nicht und eroberte einen Mehrbauern, den er nach 54 Zügen verwertete.
Die Nummer 2 der Setzliste Hikaru Nakamura musste dagegen einen weiteren Dämpfer hinnehmen, denn der Amerikaner unterlag Tigran Petrosian.
Natürlich spielte Carlsen in der nächsten Runde gegen den Ukrainer Alexander Zubov mit Schwarz auch auf Gewinn, stand aber plötzlich und fast unbemerkt auf Verlust. Die Stellung nach 40.e4 ist bereits kritisch:
Schwarz kann die Stellung noch halten, aber dafür braucht er schon einen kleinen Trick. Nach 40…Ld1+ 41.Ke3 Lb3! kann er mit Txd6 und Sc4+ in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern abwickeln. Nach dem ungenauen 40…Ta7?! 41.g3 Ld1+ 42.Ke3 dagegen gab e skein Entrinnen mehr, und Zubov gewann bemerkenswert mühelos.
Einen der schönsten Züge der Runde brachte Anish Giri aufs Brett, der damit nicht nur seinem Ruf als Remisschieber etwas entgegensetzte, sondern sich auch noch 1,5 Punkte vom Weltmeister absetzte:
“Die Drohung, dass Magnus ihn einholen könnte, erforderte drastische Maßnahmen – Giri spielte 20.Sdf5!!“
Durch einen Sieg gegen den Spanier David Anton schloss Anton Korobov derweil zum Führenden Andreikin auf.
Nach der ersten Niederlage am Vortag hatte Carlsen die Nerven verloren, doch dieses Mal schlug er gegen den russischen GM Nikita Petrov direkt zurück. Allerdings war es ganz schön knapp, da Carlsen nichts aus der Eröffnung herausholte und Petrov einmal das Remis forcieren konnte:
Das Bauernendspiel nach 45…Sxc4! ist remis, aber Schwarz muss dabei mehrere einzige Züge finden. Verständlicherweise wollte Petrov die Leichtfiguren mit 45…Kd7? auf dem Brett halten, doch nach 46.Lb5+! Kd6 47.Kb8 muss Schwarz doch noch abtauschen und landet dabei nach 47…Sd7+ 48.Lxd7 Kxd7 in einem verlorenen Bauernendspiel.
Da die ersten vier Bretter remis ausgingen, rückte Carlsen mit diesem Sieg wieder näher an die Spitze heran. Gelegentlich ein Remis einzustreuen ist bei einem so starken Turnier aber kein zwingender Fehler, was die Niederlagen von Vishy Anand (gegen Ivan Saric), Levon Aronian (gegen Evgeny Alekseev) und Alexander Grischuk (gegen Vladimir Potkin) beweisen.
In dieser Runde wurde klar, dass die Schachgötter Carlsen nicht verlassen haben. Mit Schwarz geriet er gegen Hrant Melkumyan in eine schwierige Lage und bekam dann einen heftigen Hieb verpasst:
Das anschließende Qualitätsopfer roch nach Verzweiflung, zahlte sich aber aus, da der armenische GM mit 47.e4? fehlgriff:
Carlsen ließ die Falle mit 47…c3! zuschnappen, und auf einmal war die Stellung ausgeglichen. Wie so oft konnte sich der Spieler, der zuvor noch auf Gewinn gestanden hatte, nicht an die neuen Verhältnisse anpassen und verlor sogar noch.
“Carlsen: "Ich versuchte nur noch, ihn zu bescheißen, nachdem er mich komplett überspielt hatte. Erst wollte ich die Stellung ausgeglichen halten, ehe ich kapierte, dass ich einfach schlecht stand. Es wurde immer schlimmer, ehe ich völlig auf Verlust stand. Dann trickste ich ihn mit c3 aus und schöpfte wieder Hoffnung.“
Jan fasste die Partie am besten zusammen…
„Souverän.“
Erneut waren auch die Ergebnisse an der Spitze erfreulich für den Weltmeister, denn die beiden Führenden Anton Korobov und Dmitry Andreikin verloren gegen Vladislav Artemiev und Wang Hao, womit Carlsen bis auf einen Punkt an die Spitze heranrückte.
Carlsen beendete den Tag, wie er ihn begonnen hatte: mit einem souveränen Sieg gegen den Tadschiken Farrukh Amonatov. Damit konnte er fünf Runden vor Schluss den Abstand auf einen halben Punkt verringern, da die vier Führenden nach dreizehn (Yu Yangyi – Artemiev) bzw. zwanzig Zügen (Wang Hao – Nepomniachtchi) Remis machten. Der Weltmeister holte sogar noch Anish Giri ein, der gegen Grigoriy Oparin ebenfalls remisierte.
An der Spitze liegen nun sieben Spieler mit 7,5 aus 10, da Daniil Dubov gegen Alireza Firouzja gewann und zwei weitere Schwergewichtskämpfe auf dramatische Weise entschieden wurden. Maxim Matlakov schraubte sein Tagesergebnis auf 4,5 aus 5, als Shakhriyar Mamedyarov in schwieriger Stellung mit 32…Da7? (32…Dd4! war der einzige Zug) fehlgriff:
Nach dem Doppelangriff 33.Dd6! konnte Schwarz aufgeben!
Das Beste haben wir uns aber bis zum Schluss aufgehoben. Dmitry Andreikin ließ gegen Peter Svidler nach 25.a5 den Zug des Tages vom Stapel:
Andreikin spielte: 25…Dxh2+!! 26.Kxh2 Txh4+ 27.Kg3 Th3+ 28.Kf4 Tf3+ 29.Ke5 Tg6+! und Weiß gab auf, da er im nächsten Zug mattgesetzt wird. Svidler hatte trotzdem seine Freude…
Hinter den sieben Führenden liegt Magnus Carlsen nun mit einem halben Punkt Rückstand in einer zehnköpfigen Verfolgergruppe, dahinter folgen 21 Spieler mit 6,5 aus 10, darunter Mamedyarov, Nakamura und Karjakin:
Allerdings hat Carlsen von den punktgleichen Spielern die schlechteste Wertung, und man muss schon bis Nodirbek Yakubboev scrollen, um einen Spieler zu finden, dessen Elo-Leistung schwächer ist. Bei Gleichstand tragen die beiden Spieler mit der besten Wertung einen Stichkampf aus – wie 2017, als Anand, Fedoseev und Nepomniachtchi gleichauf waren, aber Nepo sich mit Rang 3 begnügen musste.
In Runde 11 trifft Carlsen mit Daniil Dubov auf einen der Führenden, womit nun Schluss mit dem „Schweizer Gambit“ ist!
Damenweltmeisterin Ju Wenjun setzte ihren Siegeszug an Tag 2 fort, indem sie zunächst Anna Muzychuk besiegte. Dann streute sie zwei Remis ein, ehe sie noch einen Sieg gegen ihre Landsfrau Zhao Xue landete und mit nun 7 aus 8 in den Schlusstag geht.
Ihre schärfste Rivalin ist Mariya Muzychuk, die am gleichen Tag die beiden kasachischen Hoffnungen Zhansaya Abdumalik und Dinara Saduakassova bezwang.
Es sieht also gut aus für Ju Wenjun, die gegen ihre schärfsten Konkurrentinnen bereits gespielt hat, nun aber mit Kateryna Lagno in der ersten Runde am Schlusstag noch ein schweres Los meistern muss.
Weiter geht es am Freitag um 13 Uhr mit den nächsten fünf Runden: Open | Frauen
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