Magnus Carlsen konnte auf hohem Niveau trollen, als er gegen Vladimir Kramnik mit der Bird-Eröffnung (1. f4) gewann - seine 5 aus 6 reichten an diesem Tag aber nicht aus, um den Rückstand auf Wesley So zu verkürzen, da dieser mit Siegen über Vishy Anand und Baadur Jobava gleich viele Punkte erspielte. Maxime Vachier-Lagrave liegt nach zwei Remisen und einem Sieg über Jobava - der ihn dreieinhalb Minuten lang alleine am Brett sitzen ließ - gleichauf mit Magnus auf dem zweiten Platz. Baadur könnte sich hingegen wünschen, dass er gar nicht teilgenommen hätte, da er nach dem zweiten Tag bei 0 aus 12 steht.
Wir bekamen auch am zweiten Tag der Your Next Move Grand Chess Tour in Leuven elf entschiedene Partien und nur vier Remisen zu sehen, und überall herrschte Chaos. Ihr könnt alle Partien mit dem Selektor unterhalb nachspielen - klickt einfach auf ein Ergebnis, um eine Partie mit Computeranalyse nachzuspielen, oder bewegt den Mauszeiger über einen Spielernamen, um dessen bisherige Ergebnisse einzublenden:
Werfen wir nun einen Blick auf die unterhaltsamsten Momente des Tages:
Vladimir Kramnik konnte die letzte Partie gegen Magnus beim Altibox Norway Chess für sich entscheiden, was einer der größten Rivalitäten im Schach am Donnerstag zusätzliche Würze verlieh. Magnus hatte in der fünften Runde der Leuven Grand Chess Tour Weiß und beschloss, etwas Unkonventionelles zu spielen: "Den Bird", also Henry Birds 1. f4.
Für Carlsens Verhältnisse war das nicht besonders extravagant - er spielte bei der Blitzschach-Weltmeisterschaft einmal 1. a4!?? gegen Radjabov (und gewann) -, und Vladimir hatte damit keine Probleme, zumindest am Beginn. Schwarz schien gut zu stehen, doch der Vorteil war verschwunden, und dann wurde es kritisch:
Hier tauschte Vladimir mit 26. ... Dxf2+ die Damen, aber nach 27. Kxf2! (nicht 27. Txf2, da der Turm auf die c-Linie gehört!) fiel der a5-Bauer ohne Kompensation, und der weiße a-Bauer war nicht aufzuhalten - Magnus' Spiel war von kurz vor diesem Moment bis zum Partieende absolut makellos.
Das ist eine der Partien, die Jan Gustafsson in seiner Zusammenfassung des Tagesgeschehens genauer unter die Lupe nimmt:
Nach der Partie fand Magnus Zeit, um zwischen den Runden zu twittern:
Vorläufige
Berechnungen wurden bestätigt: Der Bird ist tatsächlich gleich oder größer als
das Wort.
Das war eine Hommage an Family Guy, Peter Griffin und jene
Wissenschaftler, die zum selben Schluss gekommen waren...
Doch was war der wirkliche Grund, um 1. f4 zu spielen? Nach der ersten Partie des WM-Kampfes Carlsen
gegen Karjakin legte Radio Jan - von dem manche vermuten, er sei Teil von Team
Magnus gewesen - zum vom Weltmeister gewählten Trompowsky-Angriff los. Er sah
dunkle Zeiten voraus...
Verschwörungstheoretiker hatten aber auch noch andere Erklärungen parat. War es Magnus Carlsens Antwort auf die Beleidigung aller Skandinavier, Bent Larsen sei ein Kaffeehausspieler gewesen, der ernsthaften Studiums nicht würdig ist?
Nigel
Short über Carlsen, Kramnik, Larsen, Bird und Kaffeehausschach.
Und ihr dachtet, Schach wäre einfach...
Baadur Jobava lieferte dem in Führung liegenden Wesley So in der ersten
Runde des Tages einen echten Kampf. Er gewann nicht nur das Duell der
Sonnenbrillen kampflos, da Wesley stillschweigend zur Kenntnis nahm, dass er
nicht so cool aussehen kann...
... Jobava gewann mit den schwarzen Figuren auch einen Bauern, und die Frage schien nur noch zu lauten, ob er diesen Vorteil zum Sieg verwerten können oder nur remis spielen würde. Doch leider verhedderte er sich langsam und geriet in ein Mattnetz. Diese vierte Niederlage in Folge hätte bei jedem den Kampfgeist brechen können, und in der nächsten Runde erlebten wir einen erschütternden Moment:
Die
Runde hat begonnen, aber WO ist Jobava???
Erst als Baadurs Uhr über drei Minuten gelaufen war, eilte er endlich ans Brett - er war anscheinend draußen umhergelaufen, möglicherweise etwas benommen und verwirrt. Jobava spielte ab da im Blitztempo, aber nach einem Dutzend Züge stand er schlechter und musste danach leiden, als Maxime Vachier-Lagrave langsam, aber sehr sicher den ganzen Punkt eroberte. Die Aufgabe erfolgte im 71. Zug.
Doch leider es sollte nicht einfacher werden, da der nächste Gegner Magnus Carlsen hieß:
Dieses Mal griff Baadur im 14. Zug grob fehl, und der Rest war nicht jugendfrei. Magnus ließ sich die Chance nicht entgehen, seine Punkteausbeute zu erhöhen. Mittlerweile stellt sich die Frage, ob es Jobava gelingen wird, im Schnellschach-Abschnitt des Turniers zu punkten.
Die Nummer Zwei der Welt Vladimir Kramnik liegt nach einem harten zweiten Tag in der Tabelle nur vor Jobava. Er spielte in der ersten Runde gegen Ian Nepomniachtchi ein exquisites Qualitätsopfer, konnte seinen Vorteil aber nicht zum ganzen Punkt verwerten. Danach gab es das Duell Bird gegen Word, und schließlich folgte ein weiteres klassisches Duell: Kramnik - Aronian.
Vladimir stand gut, bis er dem schwarzen Springer erlaubte, mit dem
raffinierten 24. ... Sd5! zur Party
hinzuzustoßen:
Weiß hatte bald nicht nur eine Figur weniger, sondern sah auch zwei verbundene Freibauern auf sich zustürmen - es gab jedoch einen Moment, in dem sich Kramnik dank schöner Geometrie hätte retten können:
45. Dxb4!! Txe5 46. Db8+! Te8 47. Txe8+ Lxe8 48. Dxe8+ Kh7, und es ist ein ausgeglichenes Endspiel mit Damen und Bauern entstanden. Die Spieler befanden sich zu diesem Moment aber in großer Zeitnot und hatten keine Zeit für solche Feinheiten. Oder wie es Levon formulierte:
Wir machten beide Fehler, und er hat den letzten Fehler gemacht. Es war eine Leistung von uns beiden, wie schlecht wir gespielt haben.
Das war aber nur das Vorspiel zum Schlussteil, als die verzögerte Bedenkzeit und eine schlechte Stellung den üblicherweise coolen Vladimir Kramnik in ein zitterndes Wrack verwandelten:
Levon
Aronian zur neuen Bedenkzeit: "Wir sind große Jungs. Wir werden uns daran
gewöhnen."
Selten hat jemand angestrengter versucht, in einer Verluststellung einen Verlustzug zu spielen! Es war aber womöglich passend, dass Vassily Ivanchuk in der Nähe war und Zeuge dieser Szenen wurde, da er in einem sehr bekannten Videoausschnitt Kramnik gegenüber sitzt:
Nach dem holprigen Sieg über Baadur Jobava in der ersten Partie des Tages fand Wesley So wieder zur Ruhe. Er holte mit Schwarz gegen Anish Giri mühelos Remis und besiegte danach den großen Vishy Anand mit Weiß. Das war der Schlüsselmoment:
31.
... Lg1!? war cool, aber 32. Td6+ Ke7 33. Sxb6! Tc7 34. Txh6!! ist sogar noch
cooler.
31. ... Ld4! scheint besser geeignet zu sein, um die brillante weiße Invasion der schwarzen Nachhut aufzuhalten. In der Partie vermied Vishy Sos brillante Antwort 33. ... Tc7 34. Txh6!! mit 33. ... Lxb6 34. Txb6 - Wesley hatte nur einen Bauern mehr, aber er genügte, um die Partie zu gewinnen. Er hat damit weiterhin zwei Punkte Vorsprung auf seine engsten Verfolger.
Anand hatte einen harten Tag, aber ihm gelang ein schöner, langsam vorgetragener Angriffssieg über Vassily Ivanchuk.
Sucht, was im folgenden Foto "falsch" ist:
Richtig, irgendwie hat der schwarze h-Bauer aus der Eröffnung heraus den Weg nach h3 gefunden. Falls Ian Nepomniachtchis Plan lautete, Ivanchuks Kreativität schon früh anzukurbeln und ihn damit viel Zeit verbrauchen zu lassen, hat er funktioniert. Das Problem war wie schon so oft mit Vassily, dass er auch großartiges Schach zeigte. Jener Moment, an dem Weiß in Vorteil kam, war nach 32. ... Da8?!:
33. e4! schnitt den Weg der Dame ab, wodurch sie nicht mehr am Königsflügel Schaden anrichten konnte, und Weiß erlangte nach 33. ... a5 34. a4 Tb8 35. De3 volle Kontrolle über das Brett. Man würde die Gefahren mit knapper Bedenkzeit unterschätzen, wenn man behauptet, der Rest sei einfach gewesen, aber Vassily beendete den Tag nach zwei herben Niederlagen (Giri nannte Ivanchuks Spiel in ihrer Partie "Mission Selbstmord" und ein verspätetes Geburtstagsgeschenk) noch mit einem positiven Erlebnis. Es kam jedoch noch besser, als er Maurice Ashley ein Interview gab:
Vassily Ivanchuk trifft die Live-Video-Produzenten von @CCSCSL.
Ihr könnt das Interview (zusammen mit dem restlichen Tagesgeschehen) hier noch einmal sehen:
Die Schachstrategie hört nie auf, sich weiterzuentwickeln, und Levon Aronian half uns dabei, eine neue Faustregel zu formulieren. Ihr wisst sicher, dass man einen Flankenangriff mit einem Angriff im Zentrum beantworten soll. Aber nun können wir hinzufügen: "Wenn der Gegner deine Schwerfiguren mit einer Gabel angreift, antworte mit einem Läuferopfer mit Schachgebot!" Für die armenische Nummer Eins funktionierte das an zwei aufeinander folgenden Tagen gegen sehr gute Gegner:
Gegen Jobava spielte er 26. Lxf7+!, Anand wurde mit 29. Lxh7+! konfrontiert - Levon gewann beide Partien.
Es gibt nur wenige Spieler, die noch trickreicher spielen als Levon Aronian und Ian Nepomniachtchi, und in der fünften Runde tauschten sie scharfe Ideen aus, bis Levon schließlich einbrach:
Es gibt hier nur einen rettenden Zug, aber er ist kaum schnell gefunden. 43. ... Tf8! opfert die Qualität, aber der schwarze König kann zusammen mit dem Läufer die weißen Pläne vereiteln. Mit nur noch wenig Bedenkzeit spielte Aronian jedoch 43. ... Ta8. Nach 44. Lxf6! gxf5 45. Tg7+! musste er mit 45. ... Kh8 in ein vernichtendes Abzugsschach laufen, da 45. ... Kf8 wegen 46. Th7! und Mattdrohung sogar noch schneller verliert. Levon spielte noch sechs Züge lang weiter, bevor er das Handtuch warf.
Danach schien Nepo das Leid seines Gegners zu spüren
Die
besten Gegner sind nicht die, die zu Punkteteilungen bereit sind, sondern die,
die deinen Schmerz teilen wollen.
Vor dem letzten Schnellschach-Tag (danach folgen am Wochenende wieder 18 Runden Blitzschach) lautet der Zwischenstand wie folgt:
Der Tag beginnt wieder mit ein paar großartigen Kämpfen: Giri - Carlsen, Nepo - So und Jobava - Kramnik. Wird es Jobava schaffen, im Schnellschach einen Punktegewinn zu erzielen? Es geht hier bei chess24 ab 13:50 Uhr MEZ weiter!
Ihr könnt bei allen Partien auch über unsere kostenlosen Apps zusehen:
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