Durch Gewinnpartien von Vladimir Kramnik, Shakhriyar Mamedyarov, Anish Giri und Ian Nepomniachtchi feierte das Team Globus in der Schlussrunde einen überzeugenden Sieg und konnte das Team von Odlar Yurdu beim Europacup 2017 noch abfangen. Hätten die Aseris ihr Match gegen AVE Novy Bor gewonnen, wären sie Erster gewesen, doch Nijat Abasov unterlag Sasikiran und es reichte nur zu Platz 3. Der letztjährige Sieger Alkaloid gewann Silber, während die Damenkonkurrenz nach einem wahren Thriller an Batumi ging.
Alle Partien des Europacups könnt ihr durch Klick auf das Ergebnis bzw. die jeweilige Runde mit Computeranalyse nachspielen:
Das russische Team Globus war als Favorit in den 33. Europacup für Vereinsmannschaften gegangen, denn die ersten sechs Bretter wiesen einen sagenhaften Elo-Schnitt von 2772 auf. In Runde 5 erreichte das Team aber nur durch ein Wunder ein Unentschieden gegen Odlar Yurdu und war deshalb in der Schlussrunde auf Schützenhilfe angewiesen. Der letzte Gegner von Globus, Legacy Square Capital, hatte davor nur ein Match verloren, daher musste man von einem harten Kampf ausgehen. Am Ende feierte Globus aber einen klaren Sieg!
Vladimir Kramnik bekam gegen Ernesto Inarkiev zum ersten Mal Weiß und führte die Partie wieder einmal früh in unbekannte Gewässer. Nach 1.c4 e5 spielte er mit 2.d3 ein Sizilianer mit vertauschten Farben und brachte seinen Gegner gleich zum Grübeln. Nach 2…Sf6 3.Sf3 Lb4+ 4.Sbd2 De7 5.a3 Ld6!? hatten die beiden Top-Spieler nach fünf Zügen eine völlig neue Stellung erreicht und damit einmal mehr die unendliche Tiefe des Schachspiels unter Beweis gestellt!
Kramnik spielte nach 16 Minuten 6.d4 und nach 6…exd4 7.Sxd4 Lc5 8.S2f3 opferte Inarkiev 8….d5!? mit einen Bauern, denn bei einem Züruckschlagen nach Kramniks 9.cxd5 hätte Weiß eine äußerst gefährliche Initiative entfaltet. Unterm Strich erwies sich das Bauernopfer aber als inkorrekt, denn Kramnik konsolidierte sich sukzessive und hatte schließlich einfach einen Bauern mehr:
"Vor 20 Jahren hätte man Schwarz Kompensation attestiert. Heute hat er einfach einen Bauern weniger"
Trotz beidseitig knapper Bedenkzeit und einigen kritischen Momenten behielt Kramnik den Überblick und verwertete im Turmendspiel seinen Mehrbauern.
Damit erzielte er am Ende sogar ein leichtes Elo-Plus:
Selbst wenn Kramnik Ende dieses Monats bei der Europäischen Mannschaftsmeisterschaft für Russland an den Start geht, wird es sehr schwer, die nötigen Elo-Punkte gutzumachen und Caruana und So noch im Kampf um die Plätze im Kandidatenturnier zu überholen.
Vielleicht sehen wir Kramnik auch erst wieder in Wijk aan Zee im Januar 2018, allerdings meinte er jüngst, er könne sich eine Teilnahme an der Russischen Meisterschaft im Dezember vorstellen.
Wie Kramnik zeigten sich auch seine Kollegen am Schlusstag von ihrer besten Seite. Ian Nepomniachtchi setzte Ivan Popov nach dessen etwas übermütigem Angriff einfach Matt:
Hier die Zusammenfassung der Runde!
Anish Giri schloss das Turnier nach einem Sieg Vadim Zvjaginsev mit drei Siegen und vier Remis ab, doch den Zug des Tages präsentierte Shakhriyar Mamedyarov:
42…Te4+! war ein wunderschönes Qualitätsopfer, das nicht abgelehnt werden konnte und vermutlich zwingend zum Gewinn führte. Evgeniy Najer jedenfalls fand nach 43.Lxe4 fxe4 keine Methode, um die schwarzen Bauern zu stoppen und musste bald aufgeben.
Alexander Grischuk hatte Vladimir Malakhov ebenfalls am Rand einer Niederlage, doch am Ende musste er sich nach 100 Zügen wegen gegnerischen Dauerschachs mit einem Remis begnügen!
Schon zuvor hatte Globus Federn gelassen, denn die Partie Grachev-Karjakin nahm ein überraschendes Ende. Alles deutete auf ein Remis hin, doch dann kam Karjakins Antwort auf 48.a4:
Er spielte a tempo das leichtsinnige 48…a6? , doch als Boris Grachev mit 49.a5! antwortete, versank er in sechzehnminütiges Nachdenken. Schwarz ist bereits verloren, denn er hat keine Verteidigung gegen das Manöver Lf3-g4-c8-a6 mit Umwandlung des a-Bauern. Karjakin gab drei Züge später auf, und Globus gewann „nur“ 4,5 zu 1,5.
Karjakin war nicht allzu sauer:
Anton Korobov war schließlich derjenige, der den Pokal entgegennahm!
Die beiden aserbaidschanischen Teams von Odlar Yurdu zeigten eine starke Leistung und gewannen beide Medaillen, aber mit ein wenig mehr Glück wäre sogar mehr drin gewesen. In der Schlussrunde mussten die Männer von Odlar Yurdu gegen die Nummer 4 des Turniers AVE Novy Bor gewinnen, um den Titel zu gewinnen. Lange sah es nicht schlecht aus, da Eltaj Safarli gegen Markus Ragger besser stand und Gadir Guseinov eine komplizierte Stellung gegen David Navara remis hielt.
Am Ende verpasste Safarli aber trotz eines Mehrbauern den Sieg gegen Ragger, und stattdessen knackte Krishnan Sasikiran bei fünf Remis an den anderen Brettern die Berliner Mauer von Nijat Abasov:
42…Tf2+? verlor ein Tempo, da der weiße König in die richtige Richtung getrieben wurde, und nach 43.Kg5 f6+ 44.Kg6 f5 45.Th4 f4 46.Kf5!, der Zug, den Abasov laut Sasikiran vermutlich übersehen hatte, gewann Weiß ohne Probleme. Nach 42…c5! hätte Schwarz die Partie vermutlich halten können.
Tröstlich für den 22-jährigen Nijat Abasov war, dass die Niederlage keinen großen Unterschied machte – bei einem Remis hätte Globus die bessere Wertung gehabt – und sein Team dennoch auf einem Medaillenrang landete.
Silber ging an den Vorjahressieger Alkaloid, der zum Abschluss 4:2 gegen Csm Baia Mare gewinnen konnte.
Das an Nummer 3 gesetzte Team von Mednyi Vsadnik aus St. Petersburg wurde enttäuschender Sechster, und auch der Aufsteiger des Jahres Vladimir Fedoseev erlitt einen Rückschlag:
Brett 1 Peter Svidler dagegen zeigte eine solide Leistung und überholte Sergey Karjakin und Anish Giri in der Weltrangliste - er liegt nun auf Platz 12:
Die meisten Elo-Punkte machte LSG Leiden gut, und das deutsche Spitzenbrett Dr. Jan Michael Sprenger hatte sogar doppelten Grund zur Freude:
"Jan Michael Sprenger, Spitzenbrett von LSG Leiden, holte in Antalya seine letzte GM-Norm. Glückwunsch!"
"Der Mann ist Doktor der Mathematik und der Philosophie und jetzt auch noch Großmeister. Manche Leute kommen mit besonders viel Grips auf die Welt!"
Hier der Endstand:
Bei den Damen schien nach der vorletzten Runde alles entschieden, da Batumi NONA gegen ein schwächeres Team nur ein Unentschieden brauchte und Odlar Yurdu die Silbermedaille praktisch sicher hatte. Am Ende war die Spannung aber kaum auszuhalten!
Odlar Yurdu gewann sein letztes Match knapper als erwartet mit 2,5:1,5, doch das hätte fast zu Gold gereicht, da Batumi auf einmal in großen Schwierigkeiten steckte.
Nino Batsiashvili hatte bis dahin brillante 4,5 aus 5 erzielt, dabei allerdings zweimal ein Matt in drei Zügen übersehen, ohne dass dies bestraft worden wäre.
In der letzten Runde wurde sie jedoch Opfer eines weiteren taktischen Missgeschicks, als sie erst eine gute Stellung verdarb und dann mit vierzehn Minuten auf der Uhr 36.bxc4?? aufs Brett schleuderte:
Das verlor nach der simplen taktischen Abwicklung 36…Txa7! 37.Txa7 Db8+! einen Turm. Nino versuchte, den Schaden mit 38.Se5 zu begrenzen, doch das präzise 38…Sxe5! 39.Ta3 Sf3+! erzwang Matt bzw. Aufgabe.
Am letzten Brett glich Bela Khotenashvili mit einem Sieg gegen Angela Dragomirescu aus, während Dzagnidze-Pähtz am Spitzenbrett hart umkämpft war.
Damit hing Batumis Schicksal von der letzten Partie ab, in der Harika Dronavalli als Schwarze große Probleme gegen Mihaela Sandu hatte:
In komplizierter Lage konnte Harika mit dem Qualitätsopfer 51…Txh7+ 52.Sxh7 Dxh7+ 53.Lh3 den Bauern h7 beseitigen und ihrerseits mit 53…Dh5 ein wenig Druck ausüben. Weiß stand weiterhin besser, aber nach einem Fehler stand Sandu schon schlechter und bot Remis.
Harika nahm natürlich an und sicherte ihrem Team mit ihrem sechsten Remis in Antalya den Europacup-Titel!
Odlar Yurdu musste sich mit Silber begnügen, während Natalia Zhukova mit Bossa Nova auf Platz 3 landete. Nur dank schlechterer Wertung landete der UGRA Chess Club auf dem undankbaren 4.Platz.
Der Europacup 2017 ist damit beendet, und wir möchten uns an dieser Stelle bei den Veranstaltern für die fast störungsfreie Übertragung und die tolle Live-Show bedanken. Zum Abschluss noch ein typisches Foto vom „Turnier danach“!
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